Mittwoch, 10. Juni 2009

herz IV - arteigenes, gewöhnungsbedürftiges theater - gesehen am 9.6.09 letzte aufführung im kleinen haus dresden






hier noch ein originaltitel aus dem stück



Wiedereingliederung in den Heiratsmarkt

Ab sofort müssen sich alle Singles spätestens drei Tage nach Einsetzen der Beziehungslosigkeit auf dem Amt melden! Die Herz IV-Behörde stellt sich den Herausforderungen der Postzivilisation. Was sollen wir auch anderes tun, wenn endlose Finanzkrisen, abwandernde Frauen und schwindende Geburten unsere Gesellschaft endgültig kollabieren lassen?
Aus unverpartnerten Mitbürgern werden kinderreiche Familien gemacht. Dafür ist dem Staat jede Maßnahme recht: von Liebesbrief-Seminaren bis hin zu Zwangsvollstreckungen für die Härtefälle. Mit strenger Hand leiten Herr und Frau Kummer die Herz IV-Behörde. Während die einen die Vorzüge einer staatlichen Verpartnerung durchaus zu schätzen wissen, zweifeln die anderen daran, dass Liebe, Partnerschaft und sonstige Intimitäten ausgerechnet von einer deutschen Behörde zu regeln sind.

Herz IV: eine Fantasie über den starken Staat und sein Verhältnis zum Individuum. Vor allem aber eine freche musikalische Komödie.

Musikproduzenten: Christian Conrad, Pascal Stoffels, Warren Suicide, svn und Nikolaus Wörnle

Kritik SZ:
Sächsische Zeitung, 23.03.2009

Im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden verabschiedet sich die Reihe neubau mit der Uraufführung von »Herz IV«. Irgendwann haben Afrikaner, Inder und Chinesen die Europäer überholt. Die schwindende Spermienzahl des mitteleuropäischen Mannes ist schuld, den Deutschen droht das Aussterben. Das muss der Staat verhindern. Er ruft ein Amt mit Namen Herz IV ins Leben. So sehen Marcus Hagemanns Zukunftsvisionen am Anfang seines Stückes »Herz IV« aus, das am Freitag im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden Uraufführung hatte.

Unter der Regie von Vicki Schmatolla trägt der Einheitsdeutsche Haarfarbe silberblond zur grauen Standarduniform. Die Figuren lümmeln auf bequemen Couchgarnituren, die keine Ähnlichkeit mit dem Ambiente heutiger Behörden haben. In Zukunft lässt man es sich etwas kosten, dass unverpartnerte Personen, kurz UVP genannt, zueinander finden und eine volkswirtschaftlich relevante Paarbeziehung gründen.

Neuling Philipp (Nikolai Plath) zum Beispiel bekommt gleich einen Urlaub mit irgendeiner Petra genehmigt. Bea und Thorsten (Helga Werner und Thomas Martin) dagegen sind offiziell lange ein Paar. Sie amüsieren sich auf Kosten der Herz-IV-Behörde. (...) Die Lösung, die der Autor für sein Stück findet, lässt hoffen, was das Schicksal von Behörden angeht. Doch Hagemanns Stückschluss ist Vicki Schmatolla zu blauäugig. Sie will ein Ende, bei dem die am Eingang angebotenen Ohrstöpsel auch genutzt werden.

Kritik von (blogauszug):
http://pau-la-vie.blog.de/2009/03/22/theater-marcus-hagemann-herz-iv-dresden-5805921/

Theater: Marcus Hagemann - "Herz IV" (Dresden) von Paulae Pro @ Sonntag, 22. Mär, 2009 – 17:26:12
Am Freitag war es mal wieder soweit: Es ging ins Theater zu einer Uraufführung. "Herz IV" hieß das Stück und war damit mehr als nur zufällig an die aktuelle Arbeitsmarktpolitik angelehnt.

Es geht um Deutschland in einer fernen Zeit, das doch in seiner Art an längst vergangene Zeiten erinnert. Singles gelten als Abschaum, da sie sich der Verantwortung der Fortpflanzung entziehen. Der Europäer steht schließlich kurz vorm Aussterben und wird immer ärger von den fortpflanzungswilligeren Indern, Chinesen und Afrikanern bedrängt. Deutschland also scheint fast schon entvölkert zu sein, als die Regierung die "Herz-IV-Behörde" ins Leben ruft. Die kümmert sich um eine "Verpartnerung" der Menschen, deren Ziel schließlich die Gründung einer Familie samt Vermehrung im großen Stil ist. Wer sich nicht entscheiden kann, wird fast schon zwangsverpartnert. Und so regen sich bald schon kritische Stimmen. Denn kann man Liebe wirklich erzwingen?

Untermalt wird diese nur selten humorvolle Horrorvision mit Musikstücken, deren Sinn innerhalb der Handlung sich selten erschließt, denn selbst die Paulae als Anglistik-M.A. hat den Text der Lieder nur selten verstehen können. Dies hat zwei Gründe: Zum einen die mangelhaften Englischkenntnisse einer ganzen Reihe an Darstellern und zum anderen die grausame Instrumentierung. Ich finde es schlecht, wenn einem am Eingang bereits Ohrstöpsel gereicht werden, da man die Musik offenbar nur mit solchen ertragen kann. Und so schepperte, schlagzeugte und gitarrenriffte man drauflos, auf dass den Zuschauern Hören und Sehen verging. Dass der Text dabei unterging, dürfte klar sein. Ein paar bekanntere Stücke waren auch dabei, wie z.B. "Seven Nation Army" von den White Stripes. Das an sich dynamisch-kraftvolle, in Fußballstadien äußerst beliebte Stück wurde hier zu einer pessimistischen, extrem verlangsamten Grausamstdepriversion verzerrt, woraufhin mir noch im Nachhinein so schlecht wurde, dass ich am nächsten Tag krank war und es immer noch bin. Nee, mich hat nur ein Schnupfen erwischt, aber ich möchte nicht ausschließen, dass diese durch und durch runterziehende Theatererfahrung mein Immunsystem ausgeknockt hat.
Fazit: Zweifelhafter Inhalt mit depressiver musikalischer Umsetzung - definitiv nichts für graue Tage.

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